Psychologie
Psychologie verstehen: Lernen

Die Tipps sind in folgende Kategorien unterteilt:

  Einleitung     Definition     Klassische Konditionierung     Operante Konditionierung     Einschränkungen

  Einleitung

Was ist Lernen, wie geschieht es, welchen Einfluß nimmt es und die Erfahrungen daraus auf unser Leben, unseren Alltag??
Sicher wird Ihnen klar sein, daß das Lernen ein absolut elementarer Bestandteil unseres Lebens ist - denn ohne Lernen und somit ohne Wissen und Erfahrungen wäre jeder Tag ein neuer Tag für uns. Wir müßten jeden Tag unseren Namen lernen, lernen, wer wir sind und uns erkennen und definieren - falls wir das überhaupt könnten, denn dazu müßten wir ja auch ein Sprache können, aber eine solche kann man wohl kaum an einem Tag erlernen.
Lernen ist also der Vorgang, der uns zu einem lebenswichtigen Vorrat an Erfahrungen und Wissen führt. Und da dieses Wissen im Gedächtnis abgespeichert wird, sieht man in der Psychologie Lernen und Gedächtnis oft auch als eine eng zusammenhängende Einheit an.

  Definition

Wenn man sich über das Lernen Gedanken machen will, sollte man - wie immer - den Gegenstand der Untersuchung erst einmal genau eingrenzen und definieren: Was ist eigentlich Lernen ?
In der Psychologie wird Lernen definiert als ein Prozeß, der auf Erfahrungen aufbaut. Und dieser Prozeß führt zu Veränderungen nicht nur im Verhalten, sondern auch im Verhaltenspotential, wobei diese Veränderungen „relativ“ stabil sind.
Diese Veränderungen sind deswegen „relativ“ stabil, weil zum einen Informationen oder Wissen verlernt bzw. vergessen werden kann, zum anderen ist nicht jedes gelernte Verhalten konstant stabil: Kurzfristige Einflüsse können zu einer Verhaltensveränderung führen.
Und Lernen führt nicht immer zu Veränderungen im Verhalten, sondern oft auch im Verhaltenspotential, die Psychologie nennt dies latentes Lernen: Lernen, dessen Auswirkungen man erst später oder zu gegebenem Zeitpunkt oder Umfeld erkennen kann.
Ein klassisches Beispiel dessen ist das, was jeder Mensch mehr oder weniger in seinem Leben durchlaufen muß: eine Prüfung. Wissen wird erworben, und meist erst in einer Prüfung anhand der Leistung in der Prüfung sichtbar. Aber Prüfungsangst oder gesundheitliche Probleme können das Ergebnis verfälschen und somit mißt die Prüfungsleistung nicht das wirklich erworbene Wissen - obwohl das entsprechende Potential vorhanden ist.

  Modelle: Klassische Konditionierung

Im Modell der klassischen Konditionierung geht es um grundsätzliche Lernvorgänge - Hauptgegenstand ist das Erlernen von neuen Assoziationen zwischen zwei Reizen.

Ausgangszustand ist ein Reiz, der eine „natürliche“, also nicht angelernte,  Reaktion hervorruft (Reflex). Diesen Reiz nennt man den unkonditionierten Stimulus, kurz US, und die Reaktion entsprechend unkonditionierte Reaktion, kurz UR. Ein US löst also eine UR aus.
Nun kommt jedoch ein weiterer Reiz hinzu, der neutral in dem Sinne ist, das er in der jeweiligen US - UR Verbindung keine Bedeutung hat. Dieser Reiz wird zusammen mit dem US gekoppelt, und nach einer gewissen Lernperiode löst schon alleine der neue Reiz die ursprüngliche Reaktion aus: Der neue Reiz wurde also mit dem alten Reiz assoziiert und somit zu einem konditionierten Reiz, zu einem CS, und die Reaktion bezeichnet man dann auch als konditionierte Reaktion (CR).

Diese Lernvorgänge sind elementar in unserem Alltag, und sehr viele Vorgänge und „Phänomene“ kann man damit erklären, so z.B. die Frage des Ekels, und das man manchmal dieses Gefühl nicht abstellen kann, obwohl man weiß, das der Gegenstand oder die Situation nicht negativ ist. Zimbardo nennt in seinem Buch („Psychologie“) Beispiele von verschiedenen Autoren (S. 215): „Glauben Sie, Sie wären bereit, Schokoladencreme zu essen, wenn sie auf Ihrem Teller in der Form von Hundekot angeordnet wäre?“
Da sich die klassische Konditionierung unbewußt vollzieht und auch unbewußt wirkt, kann man hier diese Ekelgefühle nicht einfach bewußt kontrollieren und ablegen.

Die klassische Konditionierung führt jedoch nicht zu konsistent stabilen Verbindungen: Denn wenn der CS ohne den US geboten wird, sinkt die CR mit der Zeit immer weiter ab. Jedoch tritt die CR sehr schnell wieder ein, wenn der CS  mit dem US wieder kombiniert wird.

Ein weiteres Beispiel ist das 1920 durchgeführte Experiment mit einem kleinen Jungen Names Albert: Dieser spielte gerne mit einem weißen Plüschhasen, und man wollte ihm lernen, sich vor diesem Plüschhasen zu fürchten. Dazu wurde hinter seinem Rücken laut auf eine Metallplatte geschlagen, sobald er den Plüschhasen in die Hand nahm. Und in nur sieben Konditionierungsdurchgängen lernte Albert dies auch, und sogar noch mehr: Er generalisierte (ein allgemeines Ergebniss von klassischen Konditionierungen) seine Angst auf ähnliche Objekte, also auf alle anderen weißen, plüschigen Gegenstände.

Dieses Experiment ist zwar recht interessant, aber natürlich absolut unverantwortlich - heute wäre ein solches nicht mehr denkbar.
Solche Konditionierungen kann man zwar wieder rückgängig machen, indem man sie regelrecht „ablernt“, aber die Mutter von Albert nahm ihren Sohn aus dem Experiment, noch bevor man ihm diese Angst ablernen konnte.

Ein weiteres erstaunliches Beispiel soll die Wirkung von klassischen Konditionierungen zeigen: Öfters erlebt man, daß Drogenabhängige an einer Dosis gestorben sind - man bezeichnet dies dann meist als Überdosis, aber eigentlich können sich die Mediziner dies nicht erklären, da die konsumierte Menge teilweise deutlich weniger war als üblich von dem Drogenabhängigen genommen wurde.
Experimente an Ratten haben dann eine erstaunliche Theorie für sehr wahrscheinlich geamcht: Klassische Konditionierungen waren hier die Ursache für den Tod der Drogenabhängigen!!
Denn man fand heraus, daß der Körper, der sich vor den Drogen schützt (eine übliche, ständige Reaktion), nicht erst damit beginnt, wenn er die Droge im Körper feststellt, sondern schon Reize, die vor der Drogeneinnahme stattfinden, wahrnimmt und interpretiert.
Dazu zählt z.B. ein bestimmtes Ritual der Drogeneinnahme, oder eine bestimmte Umgebung, o.ä. Es findet dann also eine klassische Konditionierung statt, eine Assoziation zwischen zwei Reizen, und der Körper stellt sich schon bei diesen Reizen auf die Droge ein. Daher kann man auch erklären, warum die Dosen der Droge im Verlauf der Zeit immer höher werden müssen, um zu wirken, und man kann auch erklären, warum manche Drogenabhängige an einer vermeintlich „harmlosen“ Dosis sterben: In einer Untersuchung zeigte sich, daß die meisten Drogentote sich den „goldenen Schuß“ in einer neuen und unvertrauten Umgebung gegeben hatten.

  Modelle: Operante Konditionierung

Neben dem klassischen gibt es noch das Modell der operanten Konditionierung, in dem es um Lernen aufgrund von Konsequenzen geht.
In diesem Modell geht es beim Lernen nicht darum, eine Assoziation zwischen zwei Reizen zu bilden, sondern zwischen Reizen und einer Reaktion. Gelernt wird also eine Verbindung S-R (Stimulus-Reaktion).
„Operant“ bezeichnet ein jedes Verhalten, das ein Organismus zeigt, und das Modell versucht, dessen Auftretenswahrscheinlichkeit zu verändern indem es dessen Auswirkungen in der Umwelt beeinflußt.

Die Auftretenswahrscheinlichkeit eines Verhaltens wird also durch die Konsequenz dessen in der Umwelt bestimmt, man nennt diese die „Verstärker“, wenn sie ein Verhalten festigen können, und Bestrafung, wenn sie ein Verhalten mindern.
Wie bei der klassischen Konditionierung kommt es auch in diesem Modell zur „operanten Löschung“, wenn die Verstärkung ausbleibt.
Ein letztes wichtiges Element in diesem Modell sind die diskriminativen Reize: Verhalten soll selten für alle Situationen verändert werden, sondern nur in bestimmten Situationen und diese werden bestimmt durch diskriminierende Reize.
Man erhält also folgende Abfolge: Diskriminierender Reiz (Sd) - Ausgelöste Reaktion (R) - Nachfolgender Reiz (S). Als Beispiel für eine Verstärkung z.B. eine Situation in einem Auto: (Sd)= Die Sonne blendet, (R)= Den Sonnenschutz herunterklappen, (S)= Die Sonne blendet nicht mehr, man kann wieder ungestört Autofahren. Ein Beispiel für eine Bestrafung: (Sd)= Ein Teller Spinat, (R)= Den Spinat nicht essen, (S)= Hausarrest bekommen.

Wie man dieses Modell gut für den Bereich der Erziehung nutzen kann, kann man im Bereich „Tips für den Alltag“ auf karstenschaefer.de nachlesen !

Ein interessanter Aspekt sind als Abschluß noch sogenannte Verstärkungspläne.
Darin geht es um partielle Verstärkung, d.h. das Verhalten, was gelernt werden soll, wird nicht in jedem Durchgang sondern nur in bestimmten Abständen verstärkt. Dies hat den Vorteil, daß diese so gelernten Reaktionen besser behalten werden, also widerstandsfähiger gegen Extinktion (Löschung) sind.
Dabei ergeben sich zwei grundsätzliche Muster: Verstärker können entweder nach einer bestimmten Anzahl von Reaktionen gegeben werden (Quotenplan), oder aber - unabhängig der Reaktionen - nach einer bestimmten Zeitspanne (Intervallplan).
Dabei kann man jedes Muster zusätzlich in ein festes (Anzahl der Reaktionen bzw. die Zeitspanne werden genau festgelegt) und variables (Reaktionen bzw. Zeitspanne werden durchschnittlich festgelegt) Muster unterscheiden, wodurch man vier Varianten erhält.
In den Diagrammen sieht man, daß der Quotenplan insgesamt am besten ist und am schnellsten zum Ergebniss führt.

(Skizze nach: Zimbardo/Gerrig "Psychologie", S.226)

Diese Ergebnisse sind interessant für den Praxisgebrauch, z.B. hinsichtlich Prüfungen in der Schule: Sie sollten also nicht nach einem bestimmten Zeitintervall sein, sondern sich anhand der Menge des gelernten Stoffes orientieren (Quotenplan). Und da (aus der Grafik ersichtlich) beim festen Quotenplan nach jeder Prüfung eine kurze Pause oder Erholung, also eine Minderung der Leitung, einsetzt, müßte individuell geprüft werden, ob eine kontinuierliche Leistung besser ist und somit der variable Quotenplan vorzuziehen ist.
Aber nicht nur auf Prüfungen kann man diese Pläne übertragen, sondern auf alle operante Lernvorgänge des Alltags. Hier nur noch ein paar Beispiele: Die Gesamtproduktion von Arbeitern, die anhand der Stückzahl bezahlt werden; Anzahl der Spiele an einem Glücksautomat, etc.

  Einschränkungen der Modelle

Obige Modelle sind natürlich, wie der Name schon sagt, (Labor-) Modelle - die Realität sieht in einigen Punkten etwas anders aus, daher muß man ein paar Änderungen vornehmen.
Denn der Einfluß der Gedanken, also der kognitive Einfluß, führt dazu, daß nicht immer im Falle der klassischen Konditionierung die Konditionierung so wie im Modell ablaufen kann, denn in der Realität gibt es eher selten diese geordneten Reiz- Verhältnisse des Labores.
Dort muß der Organismus nämlich zusätzlich immer versuchen zu erkennen, welcher Reiz für ihn wichtig und welcher unwichtig ist, er muß den Informationswert bestimmen, welcher zum einen durch die Art des Reizes festgelegt wird (seine Intensität oder Auffälligkeit) und zum anderen aufgrund der bisherigen Erfahrungen des Organismus.
Zu der wichtigsten Determinante der Konditionierung wird also der Informationswert, die Information.

(Die Seitenangaben beziehen sich auf Zimbardo/Gerrig: "Psychologie", 7. Auflage, Springer- Verlag Heidelberg, was allen Artikeln hier als Grundlage diente)

(c) 2002
Karsten Schäfer

eMail:
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